Erfahrungen aus der Eiskletter-Saison 2023/24
Mit jeder weiteren Saison gewinnt man wieder mehr Erfahrung dazu. Man erkennt während dem Zustieg und der Kletterei schneller, wie der Schnee oder das Eis beschaffen sein müsste – Man findet Hooks und kraftsparende Tritte immer schneller und erkennt kletterbare Linien immer intuitiver. Aber egal wie gut man ist, man lernt immer wieder dazu. Und Tobi und ich haben diese Eiskletter-Saion wieder viel dazugelernt und bereits gemachte Erfahrungen gefestigt und Vermutungen bzw. Allgemeinwissen bestätigt. Einige dieser Punkte möchte ich hier auflisten. Letztes Jahr habe ich auch schon einige Erfahrungen aus der Saison 2022/2023 festgehalten.
Zustieg mit Grödeln
Mit einigen Jahren an Erfahrung schaue ich nun zurück und muss schmunzeln, wie ich die Ausrüstung genutzt habe. Stunden an Zustiegen durch Schnee und über steinige Bachbetten habe ich mit meinen Steigeisen zurückgelegt. Der Stahl hält zwar viel, aber es scheint doch eher weniger sinnig die Schärfe der Steigeisen schon beim Zustieg zu ruinieren. Daher haben wir diese Saison das erste mal konsequent den Zustieg mit Grödeln (Schneeketten für die Schuhe) gemacht. Und siehe da: Die Steigeisen, besonders deren Frontalzacke, wird deutlich geschont. Wo immer möglich bleiben die Grödeln dann im Rucksack-Depot. Und beim Abstieg nutzen wir dann auch wieder die Grödeln, die sich hier zudem deutlich schonender fürs Knie anfühlen, da der Fuß auch etwas mehr rutschen kann. Also Win-Win 😉
Wenn mehr Schnee ist, dann Zustieg natürlich selbstredend mit Schneeschuhen oder Ski. Und wenn der Boden fest ist, dann evtl sogar nur mit Bergstiefeln.
Vertrauen in die Halbseiltechnik
Dafür, dass Halbseile ein Standard sind und viele mit Halbseiltechnik klettern, findet man dazu im Internet dann doch nicht ganz so viel zu dem Thema. Ich versuche das mal in eigenen Worten unvollständig zusammenzufassen: Die Idee ist, dass man die Zwischensicherungen abwechselnd in jeweils nur eins der beiden Halbseile einhängt. Hierdurch fällt man bei einem Sturz erstmal in einen Seilstrang, der sich dann viel dehnen kann und daher den Krafteintrag auf die Eisschraube reduziert. Und die Eisschraube ist hier auch tendenziell das schwächste oder zumindest fragwürdigste Glied in der Kette. Wenn die Schraube ausreißt, dann fällt man noch mal weiter bis in die vorherige Zwischensicherung. Aber zumindest wurde der Krafteintrag schon reduziert und daher sollte es unwahrscheinlicher sein, dass die Schraube überhaupt ausreißt. Wenn man beide Seilstränge eingehängt hätte, wäre die Kraftspitze höher. Wenn im Fels scharfe Kanten mit dazukommen, sollte man das ganze aber wohl anders beurteilen und ggf. wieder beide Stränge klippen. Aber wenn man im Eis dann erkennt, dass selbst ein Halbseilstrang tendenziell stärker ist als eine reguläre Eisschraube, dann kann man sich doch recht schnell mit der Halbseiltechnik anfreunden. Wichtig sind hier noch einige Dinge zu beachten, auf die ich hier nicht vollumfänglich eingehen möchte. Wir klettern in der Regel die ersten beiden Schrauben noch mit beiden Seilen in der Zwischensicherung, dass beim Sturzfall genügend Reibung entsteht, dass der Sturz zuverlässig gehalten werden kann (besonders bei dünnen Seilen). Danach fangen wir dann mit der Halbseiltechnik an. Vor schwierigen Passagen oder in fragwürdigem Eis platziere ich dann gerne eine Schraube rechts mit dem rechten Seil und eine Schraube links mit dem linken Seil. So kommt beim Sturzfall die Kraft auf zwei Zwischensicherungen. Aber natürlich ist das ganze dann noch mal Materialintensiver oder in der Seillänge dann mal ein größerer Runout. Jedoch habe ich damit gute Erfahrungen gemacht und komme mit mehr mentaler Stärke kontrollierter durch die Seillänge.
Schwierigkeitsgrade im Eis
Die Schwierigkeitsgrade beim Eisklettern richten sich in der Regel nach der Steilheit und wie lange die steilen Passagen sind. Und dann noch nach der Eisqualität. Im Pitztal sahen wir uns oft mit sportlichen WI4 Eisfällen konfrontiert. Während in den Dolomiten die WI4 Eisfälle teilweise so eingepickelt sind, dass sie sich wie eine WI3 klettern. Die tatsächliche Schwierigkeit zeigt sich dann also erst vor Ort. Der Kletterführer und Topos geben erst mal nur eine Idee. Vor Ort ist dann wichtig, wie dick das Eis ist, wie viele Leute da schon geklettert sind und teils auch wie die Temperaturen sind. Denn bei besonders kalten Temperaturen klettert sich das Eis oft nicht so gut, wie bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Diese Dinge liest man schon recht früh. Aber diese Saison waren wir häufiger in den Dolomiten und da war es deutlich spürbar.
Vorbereitendes Training
Tobi und ich haben uns schon Monate vor der Saison fleißig mit Klimmzügen, Hängeübungen, Plice Board, Rumpftraining und Joggen auf die Saison vorbereitet. Und das hat sich dann in der Saison auch bezahlt gemacht. Denn die Kraftreserven sind größer und man kann sich mehr auf die Technik konzentrieren, die so dann auch besser wird. Ich habe vor allem anfangs etwas Maximalkraft mit einfließen lassen und dann im weiteren Verlauf des Trainings auf Ausdauer gewechselt. Radfahren hat mir geholfen etwas mehr Kondition aufzubauen. Langes Wandern wäre aber sicherlich auch noch sinnvoll gewesen. Zwischen den Eiskletter-Wochenenden haben wir auf genügend Regeneration geachtet.
Bunte Bekleidung
Für nahezu jeden Bergsportler eine Selbstverständlichkeit. Für mich mit taktischem Hintergrund aber ein „neuer“ Schritt. Als wir durch eine Rinne aufgestiegen sind während um uns rum im Tal fleißig Lawinensprengungen gemacht wurden, habe ich für mich entschieden auch mal lieber zumindest eine rote Windjacke zuzulegen. Daher ist diese Erfahrung hier sicherlich die Erwähnung wert.
Lawinengefahr auch bei geringer Gefahrenstufe
Ich bin dann mal für einige Tage im Pitztal geblieben. Die Lawinenwarnstufe ging dann runter auf 1-2. Jedoch wurde es dann warm und es waren täglich Abgänge zu sehen. Die Gefahr ist immer wieder neu und individuell zu beurteilen. Den Bericht aufmerksam lesen und im Zweifelsfall lieber keiner unnötigen Gefahr aussetzen. LVS, Sonde und Schaufel sind auf einigen Touren Pflicht! Da bekommt man aber mit zunehmender Erfahrung auch ein besseres Gespür vor. Aber vor allem als Anfänger nicht bei Gefahrenstufe 1 oder 2 denken, dass gar nichts passieren kann. Wir kamen auch an einem Lawinenunfall vorbei, der hier im Bericht festgehalten wurde: Vier Eiskletterer verletzt. Hier haben die LVS-Geräte und die schnelle Reaktion von Rettern Leben gerettet!
Spektiv für die Voraufklärung
Einige Eisfälle kann man von der Straße aus sehen. Und dann muss man dennoch teilweise raten, ob das Eis kletterbar ist. In den vorherigen Saisons hatte ich schon ein kleines Monokular mit 8-facher Vergrößerung dabei. Diesmal aber sogar ein Spektiv mit 20-60x Vergrößerung. So konnten wir am Vortag einen genaueren Blick auf die Eisfälle werfen. Und bei einigen konnten wir so erst erkennen, dass sich der Zustieg zum Eisfall nicht lohnen wird.